Der Begriff der Spiritualität erlebt in den letzten Jahren eine gewisse Renaissance. Immer mehr Menschen erleben sich zwar als spirituell, aber nicht als religiös.

Die enorme Vernetzung menschlichen Wissens durch das Internet erlaubt das detaillierte Vergleichen unterschiedlicher spiritueller Traditionen. Wie hat sich eine Tradition mit der Zeit entwickelt? Welche Auswirkungen hatte sie auf den Frieden, die Freude und die Freiheit der Menschen, die mit ihr als Gläubige, Ungläubige bzw. Andersgläubige in Kontakt kamen? Woran glauben ihre Anhänger genau? Wie kam es zu diesen Glaubensvorstellungen, sind sie für eine Gesellschaft, in der ich gerne leben würde, hilfreich und wieviel Raum lassen sie mir, meiner Individualität Ausdruck zu verleihen?

Wer kritisch vergleicht, findet viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Meine Forschung ergab, dass die zahlreichen spirituellen Wege der Menschheit zwar sehr unterschiedliche Glaubensvorstellungen vertreten, die auch sehr unterschiedliche Auswirkungen auf das Zusammenleben der Menschen haben, doch sie alle machen ihre Anhänger glücklich, indem sie drei geistige Qualitäten in ihnen fördern: Disziplin, Konzentration und Weisheit. Diese Qualitäten existieren in gegenseitiger Abhängigkeit. Findet man über eine davon den Zugang zur Spiritualität, bilden sie eine Feedbackschleife, die glücklich macht: Weisheit fördert Disziplin fördert Konzentration fördert Weisheit.

Wenn das spirituelle Glück von drei geistigen Qualitäten abhängt, aber nicht von bestimmten Glaubensvorstellungen, dann darf auch ein wissenschaftlich gebildeter Mensch ohne jegliche religiöse Glaubensvorstellungen darauf hoffen, es zu erfahren.

Falls Sie sich mit Buddhismus befasst haben, kommen Ihnen die drei Qualitäten vielleicht bekannt vor, denn dort werden sie manchmal explizit genannt. Auch im beschriebenen Übungsweg finden sich aus dem Buddhismus bekannte Konzepte wieder. Allerdings verstehe ich mich nicht als Buddhist und unterrichte auch keinen Buddhismus. Das liegt wiederum daran, dass ich andere buddhistische Konzepte nicht so hilfreich fand - zumindest nicht so, wie sie von Buddhisten häufig verstanden werden zu scheinen.

Aufgrund meiner intellektuellen Veranlagung und universitären Ausbildung finde ich wissenschaftliche Beschreibungen allgemein hilfreicher als religiöses Dogma. Insbesondere die moderne Neurowissenschaft und die Evolutionsforschung lieferten für mich befriedigendere Antworten auf Fragen, die früher nur von der Religion beantwortet werden konnten. Doch theoretische Antworten ändern nicht das Lebensgefühl. Dafür bedarf es einer spirituellen Praxis.